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Ausstellung |
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"Humorror" |
Witz, Humor, Abgründe |
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Eröffnung | Freitag, 17.Juni, 19 Uhr Begrüßung: Jörg Umrath Einführung: Rainer Zerbst Musik: Bernd Settelmeyer, Percussion |
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Bettina Bätz Annemarie Glaubacker Peter Haury Volker Illi Hyun-hee Im Jang-young Jung Bettina Khano Tae-kyun Kim Paulina León Takashi Mitsui Wolfgang Neumann Martin Noll Monika Plattner Thomas Rissler Sebastian Rogler Karin Schlicht Cosima Schuba Martina Wember |
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In ihrem Kurzfilm „Marc, the foreigner“ zeigt „Paulina Léon“ (Berlin) ein Wesen, das kommunizieren möchte. Eine menschliche Grundsituation wird mit wundersam einfachen und gleichzeitig eindringlichen Mitteln verfremdet und inszeniert. In farbkräftigen Bildern in Öl auf Leinwand zeigt Cosima Schuba (Stuttgart) in ihrer eigenwilligen Bildsprache eine Serie mit dem Titel „Jagdszenen“ „Ich bin da“ lautet der Titel von Hyun Hee Ims (Stuttgart) Fotoarbeiten. In Form von virtuellen Collagen verschmelzen computergenererierte Räume mit „realen“ Figuren und umgekehrt. Hyun Hee Im spielt mit unserer Wahrnehmung, die sich auf selbst offensichtliche Täuschungen bereitwillig einlässt. Die harmlos wirkenden Bilder bergen Vorgänge, die sich in unsere innere Bilderwelt einschleichen und damit unsere Weltbilder subtil verändern. Von Peter Haury (Stuttgart) sind Flash-animationen zu sehen. Die gezeichneten Bildgeschichten kommen durch die elementare Struktur der Flash-animation einer Urform des Zeichentrickfilms nahe und eröffnen inhaltlich ein weites Feld von Skurrilem, Absurdem bis hin zu bösartig Erfreulichem. Martina Wember (Berlin) ist in der Ausstellung mit 50 Zeichnungen vertreten. Es handelt sich um Vorlagen für ihr Buch „paarweise“, das druckfrisch zur Ausstellung erscheint. In subtiler Weise wird mit Ironie und Humor die Begegnung mit dem im Beziehungsalltag oft versteckten Horror aufgezeigt. „Hausmann“ nennt der Koreaner Jang-young (Stuttgart) Jung seine Plastiken bestehend aus Holzstäben, Metall und Gips. Er beschäftigt sich mit dem Traum vom Bau eines Hauses, der in der unmittelbaren künstlerischen Umsetzung seiner Werke ungewöhnliche Formen annimmt. Ein kleines Aquarell mit dem Titel „mickey“ von Sebastian Rogler (Berlin) 7x19 cm schien der Jury dem Titel der Ausstellung „Humorror“ in hintergründiger und z.T. rätselhafter Weise sehr zu entsprechen Mit „Leben im Tetra Park“ erschafft Tae-kyun Kim (Stuttgart) kleine Szenen in kleinen Räumen deren Herkunft mit dem Titel zusammenhängen.... Karin Schlicht (Remseck)zeigt in der Shedhalle eine Rauminstallation, das Fragment eines Raumes, bestehend aus einer Wand und einer Bodenfläche und einer von Ferne bieder wirkenden Einrichtung. Beim Näherkommen wird die spezifische Eigenart dieses Raumes evident. Die großformatigen Bilder von Wolfgang Neumann (Kornwestheim) sind von virtuoser gegenständlicher Fülle. Reale und surreale Inhalte werden miteinander verknüpft; Witz und Schrecken verbinden sich. Martin Noll (Berlin) ist mit Arbeiten aus der Reihe „Erfindung der Malerei“ vertreten. Seine Bilderfindungen zeichnen sich durch Ideenvielfalt und durch prägnante Vereinfachungen aus und hinterlassen den Eindruck einer Vermischung von Ironie und sachlichem Ernst. Die Stoffbilder von Annemarie Glaubacker (Esslingen) führen tief in die Abgründe kitschiger Romanwelten mit Titeln wie „Mami“ oder „Schicksalsroman“. Takashi Mitsui (Japan/Köln) konfrontiert den Betrachter mit seinem Monogramm T.M. durch ein mehrteiliges Objekt aus zerbrechlichen Eiern. Bei Bettina Khano (Berlin) erscheinen auf den Schnittstellen ihrer „Leichenwürste“ Bruchstücke menschlicher Gesichter. Auf krasse aber auch groteske Weise wird an die Tatsache erinnert, dass wir auf Kosten anderer leben. Die Objekte mit dem Titel „Extra trocken“ können aufgrund des Materials aus dem Volker Illi (Reutlingen) sie überzeugend in Form und Aussehen hergestellt hat, ihre eigentliche und offensichtliche Bestimmung nie erfüllen. Bereits der Versuch würde sie zerstören......... Bettina Bätz (Wiesenbach bei Heidelberg) „zeichnet“ mit Menschenhaaren auf Porzellanschüsseln eine weibliche Figur („poil de toilette). Monika Plattner (Stuttgart) zeigt auf einem Esstisch „was wir uns antun“ (=Titel ihres Objekts). Es handelt sich um ein gentechnisches Wechselspiel aus digitalen Fotocollagen von Händen, Möhren und Möhrenfingern. Die „keinen Angstbilder“, bestehend aus 25 Holzschnitten von Thomas Rissler (Beuren), erinnern an Comic-Zeichnungen, die einen zwiespältigen Eindruck von scheinbar undramatisch inszenierten Motiven und latenter Bedrohung erzeugen. |
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Eröffnungsrede von Dr. Rainer Zerbst anlässlich der Ausstellung Humorror, gehalten am Freitag, 17.Juni 2005 in der Shedhalle Tübingen |
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, die wohl bekannteste, verbreitetste Definition dessen, was Humor sei, lautet: Humor ist, wenn man trotzdem lacht, trotzdem wohlgemerkt, nicht einfach nur wenn man lacht. Daher sind Besucher, die sich diese Ausstellung in der Erwartung ansehen, besonders witzige oder gar lustige Kunstwerke zu sehen, zwar nicht ganz falsch, aber ihre Erwartung greift zu kurz. Sicher ist es lustig, wenn ein Mann derart mit seinem Haus verwachsen ist, dass sein Kopf seine Behausung fast völlig ausfüllt, oder wenn an anderer Stelle sein Haus ihm wie eine Kopfgeburt aus seinem Gehirn quillt. Aber ist es einfach nur witzig? Zumal die Arbeit dann auch noch "Hausmann" heißt, hier nicht einer, der die Hausarbeit zum Lebenszweck erhoben hat, sondern einer, der mit seinem Haus identisch ist. Der nichts anderes ist als Haus. Und wüsste ich nicht, dass der Künstler, der diese Hausmann-Plasiken geschaffen hat, Koreaner ist, Jang-young Jung, dann würde ich auf einen Schwaben tippen, schließlich gilt der Schwabe ja als Inbegriff des Eigenheimbesitzers, des Häuslesbauers. Schaffen, sparen - nicht um zu reisen, oder zu leben, sondern um ein Haus zu bauen und wenn man ein Haus gebaut hat, dann hat man oft nicht mehr die Zeit oder das Geld, um zu verreisen, oder beides. „Warum in die Ferne schweifen“ fragt Karin Schlicht in einer Arbeit - und wenn man sich einmal näher ansieht, was denn der Reiz ist daheim zu bleiben dann wird einem angesichts des Bildes von Heimeligkeit fast schon ein wenig schwindlig. Wenn man sich mit dieser Arbeit, vor allem dem Boden, näher auseinandersetzt, dann erkennt man, dass das Gute nicht nur so nah ist, sondern auch so sauber. Bei Humor mischt sich in den Witz also immer auch ein wenig Hintergründiges, Abgründiges, ein wenig Schrecken im Alltag. Und deshalb: trotzdem lachen, in diesem Wörtchen trotzdem steckt im Grunde ja der Titel dieser Ausstellung: Humorror. Auch mit der Komik sollte man Humor nicht verwechseln. Komisch kann eine Grimasse sein, von Humor zeugt sie nicht unbedingt. Und schließlich: Witz oder Komik stecken in einer Sache - einer Pointe, einer Situation, einer Zeichnung, Humor liegt im Menschen - in Künstlern, die solche Arbeiten schaffen, und - hoffentlich - im Besucher, der sie sich zu Gemüte führt. Humor hat man - oder man hat ihn eben nicht, man kann ihn nicht erwerben. Folgte man übrigens der antiken Medizinlehre, die bis ins späte Mittelalter ihre Gültigkeit hatte, dann könnte man Humor im Menschen sogar medizinisch nachweisen, denn das Wort Humor leitet sich vom lateinischen humores ab, das sind die Körpersäfte und deren hat, so antike Gelehrte wie der Arzt Galen, der Mensch vier: Blut, Schleim, manche sagen auch Phlegma, sowie die gelbe und die schwarze Galle. Jeder Mensch hat alle vier, nur auf die Mischung kommt es an. Mit zuviel Schleim ist man phlegmatisch, mit zuviel gelber Galle neigt man zum Jähzorn, die schwarze stimmt melancholisch - und Humor hat der, bei dem diese Säfte in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Diese medizinische Lehre hat sich ja auch auf unseren Sprachgebrauch ausgewirkt, man spricht von einem galligen Humor, von einem schwarzen. Einer Künstlerin in dieser Ausstellung scheint besonders diese Galle übergelaufen zu sein. Ihre Arbeit jedenfalls verrät sarkastischen Humor. Monika Plattner nennt ihre Arbeit: "Was wir uns antun" und meint damit gentechnisch veränderte Nahrungsmittel. Sie zeigt einen Esstisch, und auf dem Esstisch Hände, nur laufen die Finger aus in seltsam verkrumpeltes Wurzelgemüse. Nicht nur das Gemüse mutiert, es mutiert möglicherweise auch der, der solches zu sich nimmt. Nun hätte man gegen gentechnisch veränderte Nahrung mit einem Pamphlet wettern können, man hätte eine Demonstration dagegen anzetteln können, mit diesem Esstisch ist die Botschaft ungleich subtiler, und doch zugleich auch drastischer - und weitaus witziger. Man kann trotzdem darüber schmunzeln, auch wenn die Ansicht dieser Arbeit - und die Aussicht - Schreckensvisionen hervorrufen - Horrorvisionen. Die Leichenwürste von Bettina Khano gehören übrigens in eine ähnliche Kategorie. Wir ernähren uns von nun einmal von Leichenteilen, wenn wir Presssack in uns hineinschaufeln. Kommen wir aber noch einmal auf die Medizin zurück. Humor ist gesund, so lautet ein ebenfalls populärer Spruch, und die Medizin, diesmal unsere moderne Medizin, hat das gründlich nachgewiesen, und zwar anhand des Lachens. Forscher haben herausgefunden, dass Lachen die Atmung fördert, Muskelverspannungen abbaut, die körpereigene Hormonproduktion steigert und die Immunabwehr stärkt. Wer lacht, hat viel mit einem Sportler gemein: die Endorphine und Neurotansmitter als die guten Hormone, werden vermehrt, die Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin abgebaut. Die Zellen, die Viren bekämpfen, nehmen zu, in manchen Kliniken versucht man mit Lachen den Einsatz von Antidepressiva zu reduzieren. Eigentlich müssten Sie, Herr Umrath, diese Ausstellung bei den Krankenkassen als Therapie anmelden. Es hat sich eine regelrechte Lachforschung entwickelt, die Gelotologie. Eine Arbeit von unbändigem Lachreiz finden sie in einem Zeichentrickfilm von Peter Haury. Das Lachen kann man natürlich auch durch bloße Witze erreichen, und so tun das auch die zahlreichen Lachclubs, es gibt in Deutschland allein 40, der erste wurde übrigens vor 10 Jahren in Indien gegründet. Vielleicht hat man dort das Lachen besonders nötig, nötig haben wir es aber auch, und wie aktivierend das Lachen ist, zeigt sich schon daran- ein letztes Mal Unterricht in Sachen Medizin - dass sich dabei 14 Gesichtsmuskeln anspannen - leider darunter auch die des Tränensacks, weshalb uns gelegentlich beim Lachen die Tränen runterkullern. Humor ist mehr als nur Witz, Humor ist eine soziale Errungenschaft. Wer Humor hat, hat stets auch einen Schuss Selbstkritik, wer Humor hat, kommt im sozialen Leben oft besser an, vor allem steht ein Mensch mit Humor ein wenig über den Dingen und relativiert nicht zuletzt auch sich selbst und das macht ihn einigermaßen menschlich. Wenn ein Mann einen Blondinenwitz erzählt, dann ist das geschmacklos. Wenn eine Blondine einen solchen Witz erzählt, dann darf sie das, und es zeugt von Humor, so wie ja eigentlich auch nur Juden einen Judenwitz erfinden dürfen, und in einem jüdischen Witz hat sogar der liebe Gott Humor: Mein Gott, stöhnt der Rabbi, meine Frau hat mich verlassen, was soll ich tun? Machs wie ich, antwortet ihm Gott, mach ein neues Testament. Wenn ein Mann sich für eine künstlerische Arbeit die Heftchenromane vornähme, die gern Sylvia, Heidi oder Silberwald heißen und meist von Damen gesetzteren Alters verschlungen werden, dann wäre das despektierlich. Wenn er daraus auch noch Handarbeiten machen würde, eine weitgehend weibliche Betätigung, dann könnte er auch gleich einen Blondinenwitz erzählen. Aber in unserem Fall hat all das eine Frau gemacht, Annemarie Glaubacker, und beweist damit Humor, einen abgründigen sogar, denn durch die Vergrößerung und die im wahrsten Sinne des Wortes Verstofflichung solcher Heftchentitelseiten wird das Schmalzige entlarvt, komisch und wirkt zugleich doch auch rührend. Soviel Emotionen, zum Teil widerstrebende, in einem, das kann man nur mit Humor machen. Ähnlich viel Gegensätzliches, wenn auch ganz anders, findet sich in den riesengroßen Gemälden von Wolfgang Neumann. Die Perspektive also ist wichtig. Deshalb ist es gerade in Sachen Humor wichtig, sich anzusehen, von wem diese Arbeiten stammen - und welche Titel sie haben. Wenn wir den Titel lesen: "Die Erfindung der Malerei", dann erwarten wir einen Essay eines Kunsthistorikers, längst überfällige Aufklärung über die wesentlichen Fragen der Kunst. Wenn ein Maler diesen Titel wählt, Martin Noll, dann wirkt das schon ein wenig komisch. Da erwartet man dann aber doch wenigstens Arbeiten wie sie Dürer gezeichnet hat - und über die Zentralperspektive aufklärte, oder Leonardo da Vinci mit seinem nackten Mann mit ausgestreckten Armen, mit dem er die Proportionen des Körpers darlegte. Martin Noll hat gleich mehrere Angebote zu machen, worin die Erfindung der Malerei zu suchen sei. Etwa im Schweißtuch der Veronika, oder in Wolken, und wer wüsste nicht, was für herrliche, manchmal skurrile Bilder diese Wolken zeichnen können. Die Erfindung der Malerei also in derartigen eher zufälligen Vorgängen, der Geist des Malers ist bei Nolls Szenen zur Erfindung der Malerei nicht dabei, das zeugt von Selbstironie. Perspektive wie gesagt also ist wichtig beim Humor, es ist wichtig, von wem eine humorvolle Äußerung stammt. Zum Humor gehört aber auch ein Gefühl für Angemessenheit. Da finden sie in dieser Ausstellung viele Zeichnungen von Thomas Rissler. Angstbilder nennt er sie, und wir sehen Revolver, Zwangsjacken, alles Dinge, die einem wahrlich Angst einjagen können. Am Ende dieser Bilderreihe zum Thema Angst findet sich die Mundzumundbeatmung, die ja doch eigentlich einem positiven Zweck dient, nämlich der Lebensrettung. Ein Angstbild? Aber hat die Vorstellung, von einem wildfremden Menschen geküsst zu werden, wo gegen man sich nicht einmal wehren kann, weil man ohne Bewusstsein ist, nicht auch etwas Gruseliges an sich? Das wäre die eine Seite des Humors. Diese Zeichnung beendet wohlgemerkt den Zyklus: die Mundzumundbeatmung als letztes Kapitel von Angstvisionen, als letzte Steigerung gewissermaßen. Vielleicht ist diese Platzierung aber auch denen zu verdanken, die diese Ausstellung gestaltet haben, den Ausstellungsmachern, wie man in letzter Zeit gerne sagt. Dann wäre das ein Beispiel für Humor bei ihnen, und den müssen sie haben, schließlich sind sie ja auf die Idee dieser Ausstellung gekommen sind. Es gibt aber noch ein weiteres Beispiel, das belegt, dass sie Humor haben. Das hat mit einer kleinen Arbeit von Sebastian Rogler zu tun. Sie ist an sich schon witzig, vielleicht auch sarkastisch, sie setzt nämlich neben die Köpfe, die wir von Fahndungsfotos der RAF-Terroristen kennen, einen anderen sehr bekannten Kopf, den von Mickey Mouse. Diese Zeichnung ist 27 Zentimeter breit und 8 Zentimeter hoch, das sind 216 Quadratzentimeter. Dieses Bildchen hängt allein an einer Wand von 5,60 Meter Breite und 3,10 Meter Höhe, das sind 173 600 Quadratzentimeter. Das Bildchen von Sebastian Rogler nimmt gerade einmal ein 800stel der Wand ein, der Rest der Wand ist leer. Wenn das nicht von Humor zeugt bei Menschen, die sich immer wieder die dringliche Frage stellen: Wo hänge ich welches Bild hin? Meine Damen und Herren, ich habe nicht jede Arbeit berücksichtigt. Da wären noch von Martina Wember die Bilder mit den Schrecken des Alltags, denen man nur mit Humor begegnen kann, da wäre das Leben im Tetrapack von Tae kyun Kim, da wäre Takashi Mitsui mit Eiern, von denen einige aus einem Karton fielen - und wie auf wunderbare Weise sein Monogramm übriggelassen haben und, und, und. Aber Sie haben ja noch den ganzen Abend Zeit zur Erkundungsreise, außerdem lässt sich nicht an jeder Arbeit ein bestimmter Aspekt dessen veranschaulichen, was man Humor nennt oder nennen kann, und darauf kam es mir mit meinem Anmerkungen an, das erforderte letztlich ja auch der Ausstellungstitel. Eine Arbeit soll noch folgen, zu der ich ein wenig ausholen will. Staub warst du, zu Staub wirst du wieder werden, so steht es in etwa in der Bibel, so wird es gern bei Beerdigungen zitiert. Wer diesen Satz erfunden hat, muss viel Humor gehabt haben, denn anders lässt sich diese Vorstellung nur schwer ertragen. Moder tau Moder heißt es auf plattdeutsch in den "Buddenbrooks“ bei Thomas Mann. Da sagt es der Lagerarbeiter Grobleben - an dessen magerer Nase zu jeder Jahreszeit beständig, wie uns Thomas Mann erzählt, ein länglicher Tropfen hing, ohne jemals herunterzufallen. Er sagt es nicht bei einer Hochzeit, sondern bei einer Taufe. Irgendwie war ihm so, als zitiere man in feiner Gesellschaft bei gewissen Anlässen etwas Feierliches. Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht. Samuel Beckett meinte einmal, zwischen dem Mund des Menschen und dem Anus am anderen Ende sei eigentlich nichts Nennenswertes dazwischen, merde ist das Leben. Warum ich Ihnen das sage? Sie werden in dieser Ausstellung auf ein paar Kloschüsseln stoßen. Das ist an sich nichts Neues. Marcel Duchamp hat vor rund 80 Jahren ein Pissoir in eine Ausstellung gestellt und damit den Kunstbegriff gelinde gesagt etwas erweitert. Wenn Sie sich näher mit diesen Kloschüsseln befassen, werden Sie feine schwarze Linien entdecken. Und wenn Sie eine bestimmte Perspektive einnehmen - und Perspektive, so haben wir ja gesehen, ist wichtig, dann erkennen Sie, dass diese Linien die Zeichnung eines weiblichen nackten Körpers bilden. Wenn sie sich den Schüsseln noch mehr nähern, was man im normalen Leben ja mit guten Gründen vermeidet, dann sehen Sie, dass diese Linien aus schwarzen Haaren bestehen, man darf nicht zuletzt aufgrund der Länge vermuten, aus Haaren einer Frau. Das hat Witz, ja, das zeugt von Humor, die Arbeit stammt von einer Frau, Bettina Bätz, als solche darf sie das, aber zugleich verbreitet diese Arbeit doch auch ein wenig Horror - Humorror eben. |
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