Ausstellung



"4x2"

22. September bis bis 21. Oktober 07


Thomas Schöpf & Rolf Urban

Yvonne Kendall & Henning Eichinger

Beate Maria Wörz & Matthias Stuchtey

Angelika Zeller & Margit Busch


Ausstellungseröffnung Freitag, 21 September 19 Uhr
Einführung: Jörg Umrath
Musik: Jürgen Palmtag, Emmerich Györy
In Zusammenarbeit mit der Universitätsstadt Tübingen, Kulturamt


Eröffnungsrede von Jörg Umrath
(1. Vorsitzender, Shedhalle Tübingen e.V.)


Einer hat immer Unrecht: aber mit zweien beginnt die Wahrheit. Einer kann sich nicht beweisen: aber zwei kann man bereits nicht wiederlegen“ (Friedrich Nietzsche)

“Das Gemeinsame widerspricht der Nähe zum > Ich <“ (postuliert die Schweizer Kunstkritikerin Annelise Zwez 1990)

„Der Kunstbetrieb weist alle Charakteristika eines permanenten Kriegsschauplatzes auf.“ (Palolo Bianchi 1990)


Liebe Kunstinteressierte, liebe Künstlerinnen und Künstler,
Ich begrüße Sie zur Ausstellung 4 x 2

Das begriffliche Spektrum, das sich hier eröffnet, reicht von Kooperation, Konkurrenz, Koexistenz, Kommunikation bis hin zum neutraleren Begriff der Konstellation und bietet in diesem Zusammenhang ein ähnliches Assoziationsfeld wie die Namen von bekannten Künstlerduos wie Braques und Picasso, Gaugin und Van Gogh, Gilbert und George, Fischli und Weiß, Eva und Adele - Die Frage ist, ob das nicht auch einfach salopp umschreiben könnte: vom Ideenklau bis zur Symbiose oder von der Konkurrenz bis zur Gleichschaltung?

Das Konzept der Ausstellung 4x2 spannt sich in der Tat zwischen zwei möglichen Polen von Kooperation, die ich wie folgt beschreiben möchte
Auf der einen Seite das Künstlerpaar, das eine gemeinsame Arbeit entwickelt, wo die Einzelperson mit ihrer individuellen Arbeit nicht mehr abgrenzbar in Erscheinung tritt - auf der anderen Seite zwei Künstler, deren Kooperation sich auf die pure Koexistenz oder Konfrontation ihrer beider autonomen Werkbereiche bezieht.
Interessant für uns und auch für den Besucher sind hier die Überschneidungen dieser beiden Arbeitsformen, ihre Annäherungen, die subtile Vermischungen von künstlerischer Individualität und dem Moment, wenn etwas Neues, Gemeinsames entsteht, das erst durch die Kooperation hervorgerufen und ermöglicht wird.

Das Ausstellungsgremium der Shedhalle hat diese Ausstellung bewusst auf die Zusammenarbeit von jeweils zwei bildenden Künstlern miteinander beschränkt und damit Zweierkonstellationen als Grundsetting gewählt.
Dabei muss erwähnt werden, dass das Konzept der Künstlerkooperation um viele Varianten erweitert werden könnte (z.B. die Kooperation innerhalb einer interdisziplinären Künstlergruppe, oder das Kooperieren eines Künstlers mit einem viel weiter gefassten Gegenüber, z.B. mit einer gesellschaftlichen Gruppierung).

Die Ausstellung 4 x 2 - heißt also:. 4 Künstlerkooperationen je 2 Künstlerinnen oder Künstler setzt sich namentlich zusammen aus: Thomas Schöpf & Rolf Urban aus Berlin und Stuttgart, Yvonne Kendall & Henning Eichinger aus Reutlingen, Beate Maria Wörz & Matthias Stuchtey aus Berlin und Angelika Zeller & Margit Busch aus Tübingen.

Ich komme nun zu den 4 Projekten im Detail.

Für Rolf Urban (Stuttgart) und Thomas Schöpf (Berlin) war meines Wissens diese Ausstellung der Anlass bzw eine erwünschte Gelegenheit, zum ersten mal ein gemeinschaftliches Projekt zu verwirklichen, was bedeutet, dass sie ihr Projekt im Vorfeld viele Monate über die räumliche Distanz zwischen Stuttgart und Berlin entwickelt haben.
Ihre Installation verzichtet bewusst auf Wände und Ausstellungsarchitektur und ermöglicht mit „nichträumlichen“ Elementen ein vielfältiges Raumerlebnis. Die Bestandteile der Installation greifen vom Boden bis zur Decke weit in die räumliche Gegebenheit der Halle hinein.
Die Arbeit setzt sich im Wesentlichen aus zwei Teilen zusammen:
Zum einen aus einem mit Linien auf der Bodenfläche angedeuteten „Grundriss“, welcher verschiedene Raumbezirke unterschiedlicher Größe umschreibt. In den aufgezeichneten „Räumen“ befinden sich „Ausstellungstücke“, Zeichnungen und bearbeitete Fotografien, die - unter Glasscheiben geschützt - auf dem Boden liegen; Fotografien, die mit Sätzen teilweise überschrieben sind von Thomas Schöpf) und Zeichnungen von Rolf Urban, die in wenigen Spuren, Raum, Räume, (Seh-)Wege und Verbindungen erzeugen.
Zum anderen hängen von der Decke der Shedhalle Lautsprecher an Kabeln ab. Über diese werden zusammengeschnittene Interviewfragmente von Thomas Schöpf und Musik von Rolf Urban abgespielt, die zusammen eine Klangstruktur ergeben. Hierdurch ergibt sich im wahrsten bzw doppelten Sinn des Wortes eine akustische Ebene. Die Stimmen und Klänge sind mehrkanalig abgemischt, wodurch die Lautsprecher verschiedene Teile des Ganzen gleichzeitig übermitteln.

Der Ausstellungsbesucher ist eingeladen sich in diesem subtilen Raum zu bewegen, einem Gefüge aus Zeichnungen auf der Bodenfläche, Klang in der Raummitte und Objekten, welche über dem Kopf des Besuchers schweben, die in Form von Kleidungsstücken, als Hüllen, bzw. Personifikationen dem Gehörten zugeordnet werden können...

In gewisser Weise bildet die Arbeit der beiden Tübinger Künstlerinnen Margit Busch und Angelika Zeller ein Gegenstück zum diesem Konzept, da es als betretbare Bühnenarchitektur aus zusammengefügten Bauelemente eine vergleichsweise kompakte Verdichtung im Raum darstellt und als „Haus mit Garten“ viel Dinge beherbergt und vom direkten Blick des Betrachtes abschirmt.
Zum einen wird aus gleichgroßen Pappkartons eine sehr klare, nüchterne Grundstruktur für das Hausobjekt gebildet und gleichzeitig ist das Auge durch kleine Dinge abgelenkt, die aus der Distanz nicht eindeutig erfassbar sind und den Betrachter auffordern, näher zu treten, hinein zu treten.
Im Innenraum sind in die Kartonwände Vitrinen eingelassen, in welchen Stickarbeiten von Angelika Zeller gleich musealen Objekten präsentiert werden. Ursprünglich als unscheinbare, körperlose Abbildungen auf vergilbten Papierstücken entsteht durch Nadelstiche und Fadenanhäufungen der Künstlerin eine malerische und zugleich plastische Körperlichkeit. Durch Einrichtungsgegenstände in den Räumen wie Stuhl, Liege, Lampen, Obstschale usw. changiert das Ambiente zwischen Museum und wohnlicher Behausung. Margit Busch verleiht dem Haus durch das collageartige Zusammenfügen verschiedenster Alltagsgegenstände eine Geschichte. Die Alltagsgegenstände sind mit ihren Gebrauchsspuren gefüllt, also mit Geschichten, die nicht direkt ablesbar, wohl aber mit den Wesen in den Vitrinen verknüpft zu sein scheinen und diese zu ambivalenten Hausbewohnern werden lassen. Ebenso ambivalent bleibt der wechselhafte Eindruck von Solidität und Festgefügtheit der Wände, um im nächsten Moment wieder provisorisch, demontierbar, transportabel zu wirken.

Yvonne Kendall und Henning Eichinger aus Reutlingen zeigen eine Rauminstallation, die sich aus Objekten und Malerei zusammenfügt.
Den Bildern von Hennig Eichinger liegen Strukturen von Verbindungen oder Vernetzungen zugrunde, die unser tägliches Leben prägen, vom sozialen Netz über Stromnetze, Verkehrsnetze, Kommunikationsnetze etc. Diesem stellt Henning Eichinger persönliche Bezüge und Motive gegenüber, wie z.B. Schote als Sinnbild für Geborgenheit oder Abkapselung oder den Besen als ein Zeichen für die Bemühung Ordnung in den Systemen zu schaffen. Dieser Alltagsgegenstand Besen taucht als formales Bindeglied auch in den Objekten von Yvonne Kendall wiederholt auf. Yvonne Kendall, die vor einigen Jahren aus Melbourne/ Australien nach Deutschland gekommen, lenkt ihren Blick ebenfalls auf Strukturen und Verbindungselemente, einen Blick, der durch die Brechung ihrer Kultur empfindlich geworden ist für Erwartungen, die hier an Frauen und Mütter gestellt werden. In ihren Objekten setzt sie sich mit diesen unausgesprochenen Forderungen auseinander. Es sind abgeformte Stoff- und Papierhüllen, arrangierte Besen mit Schaufeln und Abfalleimern, Behältnisse von Putzmitteln und Kuchenformen, die in assoziativer Nähe zur schwäbischen Kehrwoche und dem Gugelhupf gelesen werden können. In der Gesamtheit der Installation von Kendall und Eichinger entsteht ein Feld von Mikro- und Makrosystemen im Spannungsbogen zwischen Privatheit und Alltag.

Die Berliner Künstler Beate Maria Wörz und Matthias Stuchtey haben vor Ort für und mit dem Raum der Shedhalle gearbeitet. Gemeinsam ist beiden das Ausgehen von der besonderen Beschaffenheit, der Geschichte, der Nutzung und dem Charakter des Ausstellungsortes.
Darüber hinaus ist beiden Arbeiten das Serielle, die Wiederholung, die Zusammenstellung einfacher, auf Umrisse und Hüllen reduzierte Formen gemeinsam. Ebenso ist der vergängliche Charakter des jeweiligen Materials Wellpappe bzw. Klebeband, beides Verbrauchsmaterialien ein weiteres übergeordnetes Merkmal.
Die Einzelformen beider Künstler treten als Hülle, als Silhouette in Erscheinung, also als entleerte Form und skizzieren somit Umrisse dessen, was immer wir als Betrachter in diese Formen packen.
Beate Maria Wörz tritt mit ihrer Wand- und Bodenzeichnung, bestehend aus architektonische Elementen und Silhouetten von Schweinen in direktem Bezug zur Geschichte der Shedhalle. Matthias Stuchtey stellt legt und häuft seine Behältnisse oder Gehäuse aus Wellpappe in die Halle. Dabei entsteht für mich die Assoziation einer Kraft oder eines Sogs, der über die Begrenzung der Halle hinauszugehen scheint. Dass die Proportionen seiner Behälter und die eines Schweins verwandt sind ist Teil des gemeinsamen Konzeptes. Das Vergängliche spielt inhaltlich in die Gesamtform hinein, die als Erinnerung an gewesenes Leben, als Spuren, als zusammengewehte Haufen gelesen werden kann

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Eintreten in das Spannungsfeld der künstlerischen Kooperation, vor allem beim Entdecken von dem, was über die jeweiligen Inhalte der 4 Präsentationen hinaus durch die Kooperation der Künstler untereinander jeweils als Neues entstanden ist. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.